Beckmann am 15.12.2008, ARD

- Teil 5 -

Beckmann: Wäre es denn möglich gewesen, Katarina, wenn Peter „Nein“ gesagt hätte, wenn er gesagt hätte, ich übernehme das Theater nicht, dass Sie es gemacht hätten?

 

Katarina:Oh, das ist aber eine Konjunktiv-Frage, find ich jetzt.

 

Beckmann: Aber eine gute Konjunktiv-Frage! Eine sehr gute Konjunktiv-Frage, weil wir ja über das Patriarchentum geredet haben.

 

Katarina: Dann eher Mariele.

 

Beckmann (zu Mariele): Ja?!

 

Mariele: Ja, weiß ich nicht. Das ist... Ich hab mit Peter auch schonmal darüber gesprochen, dass ich gar nicht weiß, was passiert wäre, wenn ich jetzt ein Junge geworden wäre. Dann hätte Peter wahrscheinlich seine Ruhe gehabt und du (zu Peter) hättest machen dürfen, was du wolltest und er hätte immer geguckt, wer von den Beiden hat Spaß an dem Theater. Jetzt war eben halt diese Erbhofmentalität in der ganzen Sache und Peter hatte wirklich das „Pech“, da bei ihm halt keine freie Wahl zu haben und mich hat man in Ruhe gelassen.

 

Peter: Das hört sich jetzt so an, als wäre ich da irgendwie gezwungen wurden...

 

Mariele: Nein, nein... Ich möchte es nicht, dass sich das so anhört. Wenn ich ein Junge geworden wäre, wäre …

 

Peter: Das war schon freiwillig.

Beckmann: Jetzt kommt die Klassiker-Frage. Ich habe noch eine, die ist noch nie gestellt wurden. (zu Peter) Wie schwer war es, aus Willys Schatten zu treten?

 

Mariele (ironisch):Ja, die ist ganz neu, ne?

 

Peter: Ich hab ja etwas Anderes versucht, ich habe ja jetzt bewusst noch nie eines von den Stücken gespielt, das Willy gemacht hat. Seit ich das mache, seit 1990... wa? Quatsch. Wann ist Willy gestorben? 1999... Also seit 1998 mache ich das jetzt nur mit Stücken, die ich selber schreibe mit Frau Schöller zusammen. Das ist zwar ein ziemlicher Tort, aber es gibt keine Schwänke mehr, die Willy noch nicht gespielt hätte. Also muss etwas Neues her, es kommt Neues aus England, das nur bedingt auf deutsche Verhältnisse übertragbar ist. Also muss ich da selber ran.

 

Beckmann: Wie wird das angenommen? Wie schwer ist es eigentlich, diese Stücke auch tatsächlich immer wieder selbst zu schreiben?

 

Peter: Das ist scheiß schwer.

 

Beckmann: Scheiß schwer...

 

Peter: Ich bin gerade wieder in dieser Schreibephase, es ist furchtbar.

 

Beckmann: Wie wird das Theater weiter geführt?

 

Peter: So wie Willy es geführt hat, autoritär (lacht) und subventionsfrei.

Beckmann: Es gibt keine Mark vom Staat?

 

Peter (kopfschüttelnd): Nichts, nein. Das hat Willy nicht bekommen, das haben wir noch nie bekommen. Das ist nicht wahr, was ich sage, vor ein paar Jahren wurde mal irgendwie ein neues Modell bei der Stadt versucht, und da wurde nach einem Gießkannensystem Geld verteilt. Da haben wir auch so 1500 Mark damals noch bekommen.

 

Beckmann: Peter, haben Sie über das Erbe schonmal nachgedacht, was nach Ihnen kommt?

 

Peter: Das weiß ich, was nach mir kommt: die Sintflut.

 

Gelächter.

 

Beckmann: Och bitte. Sie haben keine Kinder?

 

Peter: Wir haben keine Kinder, meine Frau und ich, von den Neffen will keiner...

 

Beckmann: Ist das alles geklärt?

 

Katarina: Das ist geklärt.

 

Mariele: So ziemlich, ja.

 

Katarina: Es sind zwei Informatiker!

 

Peter: Da spielt sich leider gar nichts ab.

 

Mariele: Nee, dann ist leider Schluss, fürchte ich.

 

Peter: Das ist dann so, aber jede Tradition – auch bei den Buddenbrooks – geht irgendwann mal zu Ende. Nichts hält ewig. Es ist schade, es ist ganz, ganz … Aber es ist so. Ich kann es nicht ändern.

Beckmann: September 1999, als der Vater verstarb, und im Kölner Dom aufgebahrt. Das war vorher nur für Konrad Adenauer möglich, daran kann man ablesen, welche Bedeutung Vater für die Kölner hatte. Der Trauerzug durch Köln, Tausende am Straßenrand... Susanne, war da überhaupt noch soetwas wie persönliche Stille, Trauer möglich und Abschied nehmen?

 

Susanne: Ja, das war schon möglich, natürlich, aber das war … also das fand ich sowieso … es war ein Albtraum, dass mein Vater nicht mehr da war und ich hab das alles nur am Rande mitbekommen, den Applaus, die Fahrten zum Friedhof – auch das viele Fernsehen, also es war, ein wenig Freiraum war halt noch da, aber es war schon sehr besetzt von vielem Drumherum.

 

Beckmann: Mariele, welche Erinnerungen haben Sie an den Tag?

 

Mariele: Naja, das ist ein bisschen im Nebel. Man weiß, dass man da da sein muss, man weiß, dass alles live ist und dass man das durchzuhalten hat. Man muss funktionieren und dann haben wir uns gedacht, das kriegen wir auch noch hin und dann nehmen wir uns die Arbeit miteinander – wir Vier – wenn wir dann unsere Ruhe haben mit unserer Mutter zusammen und dann haben wir einige Tränen geweint.

 

Katarina: Als von der Domorgel das Lied „Ich bin ne Kölsche Jung“ in Moll erklang... huch, da musste ich dicke feste schlucken.

 

Mariele: Ja, das stimmt. Das war beeindruckend.

Mariele Millowitsch

Beckmann: Gibt es da so einen Familienzusammenhalt, dass sie sich treffen regelmäßig? Jetzt zu Weihnachten?

 

Peter: Das sehen Sie doch... (und zeigt auf seine Schwestern)

 

Gelächter.

 

Beckmann: Peter, das haben wir hingekriegt, ne? Super.

 

Mariele: Normalerweise Weihnachten, aber dieses Jahr wird es ein bisschen ruhiger. Ich bin nicht da, ich verschwind dieses Jahr einfach mal, aber sonst sind wir immer irgendwie zusammen...

Katarina nimmt mich immer auf, weil ich ja keine Familie hab. (lacht)

 

Katarina: Wir spazieren zusammen sonntagsnachmittags.

 

Mariele: Genau, wir singen dumme Lieder im Wald und freuen uns des Lebens. Peter hat einen Hund und ich hab einen Hund und dann gehen wir auch, das ist sehr schön.

Beckmann: Und jetzt beginnen die Willy-Millowitsch-Festspiele, zum 100sten Geburtstag. Das ist sozusagen der Einstand heute hier. […] Bleiben Sie da hängen, im Fernsehen, wenn da die alten Bilder zu sehen sind?

 

Mariele: Ich denk schon...

 

Susanne: Aber sicher.

 

Peter: Ja, das meiste davon hat man sowieso auf Halde, aber es ist immer wieder schön, es zu sehen.

 

Beckmann: Ich bedanke mich sehr, dass das geklappt hat, dass es irgendwie möglich war.

 

Mariele: Ja, ist erstaunlich, ne?

 

Beckmann: Mariele, Susanne, Katarina und Peter, herzlichen Dank für den Besuch, dass wir zurückblicken konnten auf die gemeinsame Zeit mit Willy Millowitsch und uns nochmal klarmachen konnten, was für ein außergewöhnlicher Volksschauspieler und auch ernsthafter Schauspieler er später war, besonders in der Figur des Kommissar Klefisch.