Beckmann vom 15.12.2008, ARD

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Susanne Mariele Millowitsch

Beckmann: Und auch in Kriegszeiten war es, glaube ich, nicht so einfach. Gehen wir nochmal zum Theater zurück, von 1940 bis 1996 – über 50 Jahre. War die Kriegszeit auch ein offenes Thema, Peter? Hat er da zu Hause ganz offen drüber geredet?

 

Peter: Nein. Die Kriegszeit war insofern kein Thema, als dass Willy in keiner Weise irgendwie am Krieg beteiligt war. Er hatte irgendwie – ich weiß nicht – vielleicht eine Freistellung oder wie man das nannte. Er war mit dem Theater beschäftigt und das war die erste Zeit, in der er sich von seinem Vater lösen konnte. Peter war krank. Ich weiß bis heute nicht, an was der gestorben ist. Peter war krank und Willy konnte 1940 das erste Mal alleine etwas unternehmen. Das war diese oft zitierte Frankreich-Tournee, da ist er mit dem Theater durch das besetzte Frankreich gefahren. Das war wohl ein sehr wichtiges Erlebnis für ihn.

Katarina Eisenlohr Millowitsch

Beckmann: Davon hat er also erzählt, Katarina? Hat er ein bisschen was berichtet oder hat er es weggeschwiegen?

 

Katarina: Er hat nicht viel davon erzählt. Wenn uns alte Fotos in die Hände fielen, konnte man ihn danach fragen und er erzählte vor allen Dingen... Also im Zentrum dessen, was er erzählte, stand immer, wie er Lebensmittel organisiert hatte für die Familie. Geschmuggelt, Cognak... Was weiß ich, was sie da hatten. Und das war so zentral, dass er geholfen hat, die Familie am Leben zu erhalten.

 

Beckmann: Aha, hatte er sich damals arrangiert? Wie kann man das bezeichnen?

Peter: Arrangiert... Das ist jetzt wieder so ein Thema. Was heißt arrangiert, wer seinen Beruf hatte, musste seinem Beruf nachgehen. Ob das nun Schauspieler oder Bäcker waren, die Bäcker haben auch nicht aufgehört, Brötchen zu backen. So haben die Schauspieler nicht aufgehört, Theater zu spielen. Man kann jetzt vorwerfen, systemetabliert oder irgendsoeinen Quatsch, aber das waren doch alle – mehr oder weniger. Und was sollte man tun?

Mariele Millowitsch

Mariele: Naja, und er hat auch gesagt, er hatte den kranken Vater zu Hause, seinen Vater, der wirklich krank war – ich weiß tatsächlich auch nicht wirklich, was es war. Ich glaube, der war auch ein bisschen depressiv, der Großvater. Und er hatte wirklich die Schauspieler zu versorgen und wollte, dass die Leute am Leben bleiben und hat auch immer mit dieser ganzen Schmuggelei immer dafür gesorgt, dass die Kreise um ihn herum dann wenigstens versorgt waren. Das war dem Vater immer wichtig, also er hat sich da schon drum gekümmert. Und das respektiere ich.

Beckmann: 90 % Kölns ist damals nach der Bombardierung zerstört gewesen. Wie schlimm war das Theater betroffen?

 

Katarina: Das war gar nicht so schlimm betroffen, die haben im September – soweit ich weiß – im September '45 wieder angefangen zu spielen. Da waren ein paar Schäden an dem Raum und der Adenauer, damals Oberbürgermeister von Köln, hat dafür gesorgt, dass er ganz schnell Baumaterialien bekam, weil Adenauer wollte, dass die Leute wieder ins Theater gehen konnten. Das schien ihm wichtig.

Beckmann: Hm. Diese Erfolge, wir haben es eben in dem einen Ausschnitt gesehen, mit dem Etappenhasen in den 50er Jahren... also dann 88 % Marktanteile im Fernsehen, das war ein ganz großer Erfolg, aber Adolf Grimme meldete sich dann gleich und sagte, Kulturschande!

 

Mariele (lacht): Er mochte es nicht!

Susanne Millowitsch

Beckmann: Er mochte es nicht. Susanne, konnte der Vater gut mit Kritik umgehen?

 

Susanne: Nicht so gut. Nein, das war nicht sein bestes Stück, damit umzugehen. Die Mutter hat auch versucht, die Kritiken etwas zur Seite zu legen, dass es ihm nicht in die Hände fiel. Er konnte sich dann schon ganz schön echauffieren. Ja, er konnte sich aufregen.

 

Beckmann: Was hat er gesagt? „Wie konnte dieser Kritiker, dieser Grimme da...?“

 

Susanne: Ja, jetzt nicht unbedingt auf Grimme bezogen, sondern generell.

 

Katarina: Er fühlte sich oft missverstanden in seiner Arbeit. Man dichtete ihm dann die Unterhosen-Komik mit heruntergelassener Hose an. Es war immer so eine handbreit unter der Gürtellinie oft.

 

Mariele: Das ist auch nicht fair.

 

Susanne: Dabei war es so schwierig, die Leute zum Lachen zu bringen. Das unterschätzt man.

Mariele Millowitsch

Beckmann: Viele Jahre später hat Mariele dann den Adolf Grimme-Preis gewonnen und dann in ihrer Dankesrede nochmal darauf hingewiesen, dass...

 

Mariele (lacht): Ich glaube, ich habe sowas gesagt, dass das meine alte Gauklerseele sehr erfreut, denn letztendlich sind ja die Gesetze des Timings, ob Schwank oder Comedy, für die ich ja damals ausgezeichnet wurde, also die Grundrezeptur ist gleich. Ich meine, jeder, der einen Witz erzählt, der weiß, die Pointe zwei Sekunden zu spät oder zu früh und versemmelt. Da lacht kein Mensch. So, und so ähnlich sind die Gesetze auch bei der Comedy und deswegen hat mich das so gefreut. Ich hab es auch gesagt, dass das meine Gauklerseele freut, diesen Preis zu kriegen. Ich wollte natürlich jetzt nicht richtig ausholen und dann ein Politikum draus machen, aber das hat mich gefreut, das sagen zu können.

Peter Millowitsch

Jetzt wurde Armin Müller-Stahl, der auch Gast in der Sendung war, befragt.

 

Beckmann: Wenn wir gerade bei dem Thema Politik sind, ich kann mir vorstellen, Peter, dass es nicht einfach war, in den 70er Jahren. Oder schon Ende der 60er, also Studentenrevolte, gesellschaftskritische Stücke überall und dann Volkstheater in dieser Form zu machen. Wie schwierig war das?

 

Peter: Ich war damals auf der Uni in Köln und wir haben ein Seminar gemacht, oder teilgenommen an einem Seminar über Volkstheater und wir haben uns bis zum Ende des Semesters nicht darüber einigen können, ob Volkstheater Theater vom Volk oder Theater fürs Volk war. So ideologisch verbohrt war das ganze Ding schon. Das ist Gott sei Dank heute anders.

Katarina Millowitsch

Beckmann: Ja. Katarina, was haben die Kommilitonen damals gesagt? Wie haben die reagiert auf den Namen Millowitsch?

 

Katarina: Ich muss ehrlich sagen, dass es Zeiten gab, da habe ich mich des Namens geschämt – ein bisschen. Ein kleines bisschen. Ich habe meinen Vater geliebt, das hatte nichts mit dem Verhältnis zum Vater zu tun, doch was ich manchmal nach außen vertreten musste, mit Diskussionen dann an der Uni, dem bin ich auch aus dem Weg gegangen, ein Stück weit, weil ich auch sah, dass diese Leute ihn zum Teil unfair beurteilten und ich aber auch den Kampf jetzt nicht wollte. Da hab ich mich einfach verdrückt und gesagt, redet ihr.

 

Beckmann: Haben Sie sich dann so einen Künstlernamen gegeben?

 

Katarina: Nein, nie.

Peter Millowitsch

Peter: Das hab ich gemacht. Als ich in Hamburg auf der Schauspielschule war, wurde ein Schauspiel gemacht, „Thomas Müntzer“. Und Thomas Müntzer ist eine große Menge von Volk, Bauern, etc. Und von der Schauspielschule wurden komplett alle Männer zum Vorsprechen geschickt. Da haben alle etwas vorgesprochen und alle wurden genommen. Gut. Und dann die Namen... und da habe ich meinen gesagt, Millowitsch. „Nein, ich glaube, für Sie kommt das nicht infrage.“ Vorher, als er meinen Namen noch nicht wusste, war es okay, aber dann hat er mich rausgeworfen. Das hat mich stutzig gemacht und beim nächsten Engagement, das war in Hannover, da habe ich unter falschem Namen vorgesprochen. Das hat dann funktioniert und irgendwann, da konnten die mich schon nicht mehr rausschmeißen, irgendwann später kam dann an das Theater Post an Peter Millowitsch. Und die lachten sich kaputt, haha, guckt mal hier, so ein Quatsch. Da sag ich, gib her, ist für mich. Da waren sie aber alle platt. (lacht)

Beckmann: Was mir auffällt, Sie sagen immer „Willy, Willy, Willy“... War das dann immer so oder hieß er Papa auch?

 

Susanne: Vati, Babo...

 

Mariele: Babo meistens.

 

Wieder etwas durcheinander. ;-)

 

Katarina: Wenn wir über ihn reden, sagen wir Willy, das ist richtig.

 

Susanne: Ich habe nie Willy gesagt!

 

Katarina: Ja, nicht zu ihm, wenn wir über ihn reden.

 

Susanne: Auch das nicht, nein. Er war immer Vati.

 

Beckmann: Oder Chef...

 

Peter: Ich hab Chef zu ihm gesagt. Hey Chef, hör mal...

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